Ein Gutteil der Entwicklung Feuchts geht auf die Honiggewinnung und die außerordentliche Privilegierung der Zeidler zurück. Honig war für Jahrhunderte das einzige Mittel zum Süßen von Speisen und Getränken. Er hatte für Nürnberg eine große Bedeutung und begründete ihren Ruf als Lebkuchenstadt.
Die Gewinnung von Honig durch Menschen gab es schon seit Jahrtausenden. Früher wurden die Bienenvölker aus dem Vorjahr im Wald aufgespürt, getötet und danach das Wachs und der Honig aus dem Bienenstock entnommen, Schwärme wurden nicht ausgebeutet und konnten überwintern.
Das Wort „Zeidel“ bedeutet Honig und „zeideln“ heißt, die Honigwaben aus dem Stock herausschneiden. Die „Zeidler“ waren die Personen, die Waldbienenhaltung betrieben. Sie betrieben eine Weiterentwicklung der Bienenwirtschaft durch planmäßiges Vorgehen. Neue Nistplätze wurden für die Bienen angelegt, die Bienenvölker dadurch vermehrt und der Ertrag gesteigert.
Sie höhlten die Bäume unterhalb des Wipfels (den sie oft beseitigten) aus und verschlossen die so gewonnene Bienenwohnung, die Beuten, mit einem Brett, während eine kleine Öffnung als Flugloch diente (siehe Galerie – Foto 1). Diese Baumbienenwohnungen wurden von schwärmenden Bienen besetzt oder der Zeidler brachte selbst einen Schwarm hinein. Neben der Waldbienenpflege wurde auch Bienenfang betrieben. Die Zeidler durften wilde Bienen fangen und im Wald schwärmen lassen. Zur Erntezeit wurden die Beuten geöffnet und Honig und Wachs entnommen. Durch das Anlegen der Beuten starb der Baum ab, was zu großen Verlusten des Baumbestandes führte.
Zwar gab es auch die Heimbienenhaltung, in denen Bienen in eigens für sie gebauten Stöcken auf Bauernhöfen lebten. Doch konnte sich diese Form der Bienenhaltung auf Grund der großen Bedeutung der Waldbienenhaltung in den großen Wäldern um Nürnberg nicht etablieren.
Bereits 1296 wurde in einer Urkunde die Ernennung eines Zeidelmeisters bestätigt und auf das Zeidelgericht in Feucht verwiesen. Im 13. Jahrhundert war das Zeidelwesen bereit voll ausgebildet. Die Zeidler hatten ihren eigenen Gerichtsstand und ihr Gericht hatte seinen Sitz in Feucht (siehe Galerie – Foto 2).
Die Zeidler hatten schon im 11. und 12. Jahrhundert ein gewisses Pfändungs- und Rügerecht, waren also in den Rang niederer Waldbeamter erhoben worden. Außer dem Forstmeister und den Patrizierfamilien Waldstromer und Koler durften nur die Zeidler Honigwirtschaft betreiben. Die Zeidler waren formal den Erbförstern gleichgestellt. Sie waren freie und unabhängige Lehensleute. Dem Kaiser waren sie zu Kriegsdiensten verpflichtet. Deshalb findet man im Wappen der Marktgemeinde den mit einer Armbrust bewaffneten Zeidler.
Im frühen 16. Jahrhundert gab es im Lorenzer Wald 50 Zeidelgüter. Es waren zumeist ansehnliche Bauerngüter, die Reichslehen waren und die die Zeidler im Erbzinslehensverhältnis nutzten. Aus dem Jahr 1310 ist belegt, dass sie dem Rat der Stadt Nürnberg schwören mussten, den durch Brand und Rodung verödeten Reichswald wieder in einen ordentlichen Zustand zu bringen.
Schon seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts waren die Rechte und Pflichten der Zeidler in dem großen Privileg Kaiser Karls IV. zusammengefasst. Ihre Eigenschaft als Bienenzüchter wurde beschrieben und ihre Funktion als Zeidler ausdrücklich von anderen Berufsgruppen abgegrenzt Sie waren neben den Förstern allein berechtigt, in den Nürnberger Wäldern Bienen zu halten. Alles hierzu nötige Holz, ebenso das Bauholz für ihre Wohn- und Wirtschaftsgebäude, musste ihnen unentgeltlich überlassen werden. Sie waren in allen Städten des Reiches zollfrei.
Für ihre Güter mussten sie seit 1427 ein gewisses Quantum Honig, später eine Vergütung in Geld, das so genannte Honiggeld bezahlen. Im Jahr 1606 mussten von Zeidlern im Lorenzer Wald zum Beispiel 411 Maß (1 Maß = 1,069 Liter) Honig erbracht werden, was einem Wert von 40 Gulden, sechs Pfund und 20 Pfennigen entsprach.
Das wichtigste Privileg der Zeidler war ihre eigene Gerichtsbarkeit. Den Vorsitz in diesem Gericht führte ursprünglich der von den Zeidlern gewählte Zeidelmeister, später der Waldamtmann. Im Hochmittelalter gab es in jedem Dort ein Ortsgericht, in dem der jeweilige Grundherr als Richter Recht sprach. In Feucht war es die Ministerialenfamilie der Feuchter. Es ist aber anzunehmen, dass bereits 1470 das Ortsgericht Feucht nicht mehr existierte, sondern dass das Zeidelgericht auch allgemeines Ortsgericht geworden war. Die räumliche Zuständigkeit erstreckte sich auf den Lorenzer Wald mit Ausnahme von Brunn.
Das Gericht bestand aus Oberrichter, Unterrichter, Schöffen und Ratsschöffe, den Vierern, den Waldherren und dem Waldamtmann. Gewöhnlich tagte das Zeidelgericht dreimal im Jahr. Im 17. und 18. Jahrhundert tagte es nur noch selten. Die letzte Sitzung fand 1779 statt. Der Hauptgrund für die immer seltenere Abhaltung des Zeidelgerichts waren einmal der Rückgang der Zeidlerei und dass sich rechtliche und sachliche Zuständigkeiten des Zeidelgerichts mit denen des Forstgerichts Lorenzi sowie des Land- und Bauerngerichts in Nürnberg weitgehend überschritten. Dazu kamen die hohen Kosten, die mit der im 16. Jahrhundert sehr aufwendigen konstituierenden Eröffnungssitzung verbunden waren. Die preußischen Behörden hoben schließlich das Zeidelgericht 1796 auf.
Im Laufe der Jahrhunderte ist die Bedeutung der Zeidlerei stark zurückgegangen. Durch die Einfuhr des Rohrzuckers im 16. Jahrhundert verlor der Honig seine Monopolstellung. Das zeigte sich im Sinken des Preises für Bienenvölker. 1538 wurde der Wert eines Bienenvolkes noch mit 3 Gulden angesetzt, während für eine Kuh 5 Gulden zu bezahlen waren. Fünf Jahre später sank der Preis bereits auf 2 Gulden.
Auch der Wald hatte sich verändert. Im Mittelalter bestand er aus Mischwald. Dieser Mischbestand war eine entscheidende Grundlage für die Waldbienenwirtschaft, denn er gestattete Früh- und Spättracht, wodurch die für einen reichen Ertrag nötige Dauertracht gewährleistet war. Auch ausgedehnte Heidekraut- Heidelbeer- und Preißelbeerflächen bildeten eine weitere Lebensgrundlage für die Bienen.
Durch die Nadelholzaussaaten wandelte sich der Wald in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in einen reinen Föhrenwald mit wesentlich geringerem Ertrag der Honigernte. Der Anbau von Zuckerrüben am Ende des 17. Jahrhunderts ließ den Honig als Süßungsmittel bedeutungslos werden.
Die Biene im Logo des Marktes Feucht, der Zeidlerschütz im Wappen, das Zeidelmuseum, das Zeidelgericht und das Zeidlerschloss zeigen, wie wichtig für Feucht die Zeidlerei war.
Sie hob Feucht aus den Reigen anderer Dörfer und Marktflecken heraus, weil nicht wenige Einwohner, die Zeidler, zwar keine Adeligen waren, aber zu einem äußerst privilegierten Stand gehörten.
Verfasst von Konrad Barthel, ergänzt durch Wolfgang Mittwoch.